Ausstellungsgebäude der Landesgartenschau

2014   ICD Forschungsgebäude / Prototypen

Institut für Tragkonstruktion und Konstruktives Entwerfen (Prof. J. Knippers)
Institut für Ingenieurgeodäsie (Prof. V. Schwieger)
Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (Prof. A. Menges)

Bilder von ICD/ITKE/IIGS Universität Stuttgart

Prozess Bilder von ICD/ITKE/IIGS Universität Stuttgart

Projekt Video

Quelle: Vimeo

AUSSTELLUNGSGEBÄUDE DER LANDESGARTENSCHAU

Landesgartenschau Schwäbisch Gmünd, 2014
Robotisch gefertigte Holzschalenkonstruktion

Der Forstpavillon ist ein Demonstrationsbau, der neue Methoden der digitalen Planung und robotischen Fertigung von Holzleichtbaukonstruktionen erforscht und vorstellt. Gefördert von der EU und dem Land Baden-Württemberg als Teil des Forschungsprojekts „Robotik im Holzbau“, handelt es sich um das erste Gebäude, dessen Schalentragwerk aus Buchenplatten vollständig robotisch gefertigt wurde. Die neuartige Holzplattenbauweise ist zugleich eine innovative Architektur und eine ausgesprochen leistungsfähige, ressourcenschonende Schalenkonstruktion, mit einer Materialstärke von gerade einmal 50mm. Dies wird durch integrative computerbasierte Entwurfs-, Simulations-, Fertigungs- und Messverfahren ermöglicht.

Im Rahmen des Verbundforschungsprojekts „Robotik im Holzbau“ wurde der Forstpavillon an der Universität Stuttgart konzipiert und in Kooperation mit Müllerblaustein Holzbau GmbH, Landesgartenschau Schwäbisch Gmünd 2014 GmbH, Landesbetrieb Forst Baden-Württemberg (ForstBW) und KUKA Roboter GmbH realisiert. Ziel des Forschungsprojekts ist, neue Wege aufzuzeigen, wie durch die Verknüpfung computerbasierter Entwurfs-, Simulations- und Fertigungsverfahren innovative und zugleich besonders leistungsfähige und ressourcenschonende Konstruktionen aus der regional verfügbaren und nachwachsenden Ressource Holz möglich werden. Bei dem Demonstrationsbau kommt erstmals ein innovatives, robotisch gefertigtes Leichtbausystem aus Buchenfurniersperrholzplatten zur Anwendung, das vom Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD, Prof. Achim Menges), dem Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE, Prof. Jan Knippers), und dem Institut für Ingenieurgeodäsie (IIGS, Prof. Volker Schwieger) entwickelt wurde. Der Forstpavillon ist Teil der Landesgartenschau Schwäbisch Gmünd 2014, wo er von ForstBW als Ausstellungsgebäude genutzt wird. Finanziert wurde das Projekt durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und Forst und Holz Baden-Württemberg sowie durch Mittel der Projektpartner.

Holz ist eines der ältesten Baumaterialien der Menschheit. Die robotische Fertigung, in Verbindung mit computerbasierten Entwurfs-, Simulations- und Messverfahren, eröffnet dem Material völlig neuartige Anwendungsmöglichkeiten. So können aus der regional verfügbaren und nachwachsenden Ressource Holz besonders leistungsfähige, effiziente Konstruktionen entstehen. Der Forstpavillon steht für eine solche Innovation im Holzbau, die sich in fünf wesentlichen Aspekten zeigt:

BIONISCHER LEICHTBAU
Im Vergleich zu technischen Konstruktionen besitzen natürliche Konstruktionen in der Tier- und Pflanzenwelt in der Regel wesentlich komplexere Formen und Strukturen. Dieses „Mehr“ an Form ist häufig der Grund für deren besondere Leistungsfähigkeit und Materialeffizienz und geht mit einem „Weniger“ an Materialeinsatz und Ressourcenverbrauch einher. Aus der Natur lassen sich daher oft wirksame Prinzipien ableiten, die in die Gestaltung technischer Systeme übertragen werden können. Dieses bionische Vorgehen besteht im Falle des Forstpavillons in der Ableitung einer segmentierten Schalenkonstruktion und ihrer Verbindungsdetails aus dem Plattenskelett von Seeigeln. Die aus Calciumcarbonat bestehenden, individuellen Platten des Skeletts bilden durch ihre spezifische Anordnung eine besonders stabile und effiziente Schalenkonstruktion. Die charakteristische Ausbildung der Plattenränder zeigt dabei Extrusionen, die die Platten verzahnen und als biologisches Vorbild für die Verbindung von Plattenkonstruktionen dienen.

COMPUTERBASIERTER ENTWURF UND SIMULATION
Die komplexe Plattenstruktur des Forstpavillons wird erst durch computerbasierte Entwurfs- und Simulationsverfahren möglich. Diese erlauben es, bionische Konstruktionsformen zu modellieren und zu simulieren. Das im Rahmen dieses Forschungsprojekts entwickelte Entwurfswerkzeug bietet die Möglichkeit, von Beginn an Materialeigenschaften und Herstellungsbedingungen in die Planung zu integrieren. Die Platten werden dabei nicht einzeln gezeichnet oder modelliert, sondern sie finden in einem digitalen Simulations- und Optimierungsprozess ihre Lage, Größe und Form in Übereinstimmung mit den Möglichkeiten der robotischen Fertigung von selbst.

ROBOTISCHE FERTIGUNG
Die durchgehend computerbasierte Planung erlaubt die digitale Fertigung aller Bauteile der Holzkonstruktion, von der Herstellung der 243 unterschiedlichen Platten bis hin zum Zuschnitt der Dämmung, wasserführenden Schicht und Deckschicht aus Lärchenplatten. Die größte Herausforderung und Innovation stellt dabei die Fertigung der 7600 geometrisch unterschiedlichen Zinkenverbindungen dar, die dem Pavillon seine Stabilität verleihen und im Innenraum sichtbar bleiben. Hier kommt der robotischen Fertigung eine Schlüsselrolle zu, da sie im Vergleich zu üblichen computergesteuerten Fertigungsmethoden einen wesentlich höheren Freiheitsgrad bietet: die Verbindungen, die in mikroskopisch kleinem Maßstab auch der Seeigel nutzt, lassen sich nur mit einer 7-achsigen Roboteranlage effizient umsetzen. Wie auch beim Seeigel spielt es dabei keine Rolle, dass alle Platten Einzelstücke sind. Die gesamte Vorfertigungszeit des Schalentragwerks betrug lediglich 3 Wochen.

INNOVATIVE MESSVERFAHREN
Die durchgehende computerbasierte Planung und Fertigung ermöglichen eine im Vergleich zu bestehenden Verfahren sehr hohe Präzision. Die Qualitätskontrolle der individuellen robotisch gefertigten Platten stellt daher eine besondere Herausforderung dar und erfordert eine hochpräzise messtechnische Erfassung durch im Sub-Millimeter Bereich agierende Lasertracker. Zusätzlich kommen 3-dimensionale Laserscanner zur mehrfachen Vermessung des gesamten Bauwerks zum Einsatz, die eine Analyse des Langzeitverhaltens ermöglichen. So konnte aufgezeigt werden, dass die mittlere quadratische Abweichung der Bauteile in der Bauteilebene, die ein Maß für die Genauigkeit der Fertigung darstellt, lediglich 0,86mm beträgt. Im Vergleich zu den sonst im Bauwesen üblichen Toleranzen ist dies ein außerordentlich guter Wert, vor allem auch im Hinblick darauf, dass es sich bei der Buchenholzschale gleichzeitig um „Rohbau“ und fertige Oberfläche im Innenraum handelt.

NEUARTIGE HOLZKONSTRUKTION
Der Forstpavillon ist die erste robotisch gefertigte Schalenkonstruktion aus Buchenholzplatten. Im Sinne der funktionalen Integration, einem Grundprinzip biologischer Strukturen, sind diese Platten zugleich Tragwerk und Gebäudehülle. Die Verbindungskräfte, die an den Plattenrändern auftreten, können durch die robotisch gefräste Zinkenverbindung besonders gut aufgenommen werden. So entsteht eine besonders leistungsfähige Holzkonstruktion, deren tragende Schicht aus gerade einmal 50mm starken Buchenplatten besteht. Die Verwendung von regional verfügbarem Buchenholz steht dabei nicht nur im Einklang mit zukünftigen Beforstungsstrategien in Mitteleuropa, sondern eignet sich aufgrund der hervorragenden mechanischen Eigenschaften auch für einen ressourcenschonenden Holzleichtbau.

Mit einer Schalenfläche von 245 m² und äußeren Abmessungen von ca. 17 x 11 x 6 m (LxBxH) bietet der Forstpavillon eine Nutzfläche von ca. 125 m² und ein Raumvolumen von 605 m³. Die gesamte, sehr dünne Schale konnte aus gerade einmal 12 m³ Holz hergestellt werden. Die eingesetzten Holzressourcen wurden fast vollständig verwendet, da der Verschnitt der Plattenfertigung zu einem Buchenparkettfußboden weiterverarbeitet wurde. Aufgrund der durchgehend digitalen Planung und Vorfertigung konnte das gesamte Gebäude in lediglich vier Wochen errichtet werden.

Das Innere des Forstpavillons ist in zwei räumliche Bereiche gegliedert: einen Eingangsbereich und den Hauptausstellungsbereich. In beiden Bereichen ist die Schale kuppelförmig ausgebildet und besteht aus konvex-polygonalen Platten. Dazwischen befindet sich eine sattelförmige Einschnürung aus konkav-polygonalen Platten. Der Besucher betritt das Gebäude durch den niedrigeren Teil der Schale und wird dann durch die räumliche Einschnürung fließend in den sechs Meter hohen Hauptraum geleitet, der sich durch die große Glasfassade zur Landschaft hin weit öffnet. Besonders präsent ist im Innenraum das Muster der sichtbaren und weitgehend unbehandelten, tragenden Buchenholzkonstruktion mit Ihren charakteristischen Zinkenverbindungen. Durch den geometrisch bedingten Übergang von konvex- zu konkavpolygonalen Platten wird der räumliche Wechsel noch akzentuiert. Die Logik der Konstruktion, die sich gemäß dem biologischen Vorbild aus der Differenzierung der Plattenform und Zinkenverbindung ableitet, bleibt im Innenraum sicht- und erlebbar.

Die Realisierung des Forstpavillons zeigt auf, dass die robotische Herstellung in Wechselwirkung mit computerbasierten Entwurfs-, Simulations- und Messverfahren es Architekten, Ingenieuren und Holzbauern ermöglicht, von Beginn an interdisziplinär, herstellungs- und materialorientiert zu arbeiten. Dabei entstehen nicht nur leistungsfähige und ressourcenschonende Holzbaukonstruktionen, sondern auch eine neuartige, ausdrucksstarke Architektur.

PROJEKTTEAM

Kontaktinformation

 

Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung

Universität Stuttgart, Keplerstraße 11, 70174 Stuttgart

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